Vor mir sitzt eine alte Dame, die mich seit dem Tag meiner Geburt kannte, mich heute aber unbedarft fragt, wer ich denn sei, wenn ich vor ihr stehe. Sie kann viele Geschichten über mich erzählen, Geschichten, die ich mag, welche, die mir peinlich sind, oder solche, in denen sie grenzenlos stolz auf mich ist. Sie könnte mir heute diese Geschichten erzählen und nicht bemerken, dass ich es selbst bin, die zuhört.
Sie mag noch lange da sitzen, Besuche und Mahlzeiten an sich vorüberziehen lassen, wartend auf das Ende des Weges. Aber die Frau, die mich und die ich kannte, die ist schon lange fort. Ganz langsam hat sie sich fortgeschlichen, ist heimlich von der Straße des Lebens abgebogen, fast ohne dass wir es bemerkt haben. Hat diese Hülle, die da sitzt, einfach hiergelassen.
ja, traurige Situation, schön in Worte gefasst und vielen, wie auch mir, im nächsten Umfeld leider nicht unbekannt.
So hart es klingt, aber ginge es nach der Natur, ab einem gewissen Stadium würden diese Menschen verhungern, weil sie auch die Mahlzeiten vergessen. Ob das, was ihnen da in manchmal gut gemeinter Weise, ich schließe aber auch wirtschaftliche Interessen nicht aus, widerfährt, etwas mit Würde zu tun hat – ich habe da so meine Zweifel.
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Es ist eine schwierige Situation und schwer anzuschauen. Wie es in den Betroffenen innen aussieht wissen wir eben alle nicht. Aber Du hast natürlich recht, in einer wilden Natur gäbe es das wirklich nicht.
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Beim Lesen deines Textes hatte ich sofort Amy Macdonald im Ohr. Sie hat es sehr schön in einem Lied verarbeitet ( https://www.youtube.com/watch?v=Xdv6igKBHw0 ).
Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen würde. Das, was mir im näheren Umfeld begegnet ist, empfand ich schon als sehr schwierig, ohne, dass es mich so direkt betraf.
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Nun, sie als quasi „schon weg“ zu betrachten ist mein unbeholfener Umgang damit, weil es sonst so traurig ist.
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😘
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[…] unterstelle): Myriade und natürlich Literatur-O-Meter und Home is where the boys are oder Tanja im Norden, die auch immer so schön Geschichten […]
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Mir hast du damit eine Träne entlockt.
Meine Oma hat mal, bevor sie auch verschwand, gesagt: „Das ist alles ganz furchtbar. Man benimmt sich wieder wie ein Kleinkind und kriegt nichts mehr hin und kriegt es aber am Ende noch mit.“ Nachdem sie das gesagt hatte, fing sie an zu weinen 😦
Aber ja. Du hast das gut beschrieben.
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Ich habe es bei meinem Opa erlebt, das war wirklich schlimm. Auch unsere Nachbarin lebte noch lange allein, hat uns in die Wohnung eingeladen und dann gefragt „wer sind Sie eigentlich?“ Dabei habe ich mein ganzes Leben neben ihr gewohnt…
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[…] Von Selbst-Verlusten: https://tanjaimnorden.wordpress.com/2017/01/09/sie-ist-weg/ […]
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Beklemmend schön geschrieben. Ein kurzer Text der so viel sagt!
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Danke!
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Das rührt sehr an.
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